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Port Baikal

Port Baikal #5
Port Baikal #5

Port Baikal, Lake Baikal, Russia. July 2013

Baikal (russisch Байкал, auch Port Baikal) ist eine ländliche Siedlung (possjolok) in der Oblast Irkutsk (Russland) mit 425 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010).

Der Ort liegt am Baikalsee, an der Stelle, wo die Angara den See verlässt. Baikal ist Endpunkt der Baikalbahn. Zwischen 1948 und 2014 besaß der Ort den Status einer Siedlung städtischen Typs.

Quelle: wikipedia

PORT BAIKAL WAR FRÜHER EIN WICHTIGER DREH- UND ANGELPUNKT DER TRANSSIBIRISCHEN EISENBAHN. HEUTE WIRKT ES WIE EINE GEISTERSTADT

Wie auf einer verlassenen Insel. So fühlt sich das an. Rostende Schiffe, zerfallende Häuser. Und trotzdem Zeichen von Leben: streunende Hunde, Katzen, majestätisch elegant auf Gartenzäunen herumstolzierend. Krähende Hähne, Satellitenschüsseln, Wäscheleinen mit farbiger Wäsche, zum trocknen aufgehängt, an einem grauen, feuchten Tag. Es hängt eine leichter Bodennebel in der Seeenge des Lake Baikal.

Aber keine Menschenseele zu sehen.

Auf einmal Lärm, nicht zu orten. Ich stehe mitten auf einer unbefestigten Landstrasse. Von Links braust ein Quadbike den Hügel herunter und an mir vorbei. Tarnklamotten hat der Junge an, wie es sich gehört auf einem Quad. In Russland jedenfalls. Ist vielleicht so eine von Putin inspirierte Sache. Camouflage ist immer noch ‚en vogue‘, nicht nur bei den in den 90ern hängengebliebenen Hip Hopper.

Ich bleibe neben einem Haus stehen, schaue mir Gegend etwas genauer an. Dumpfe Geräusche erklingen aus dem Innern. Ah, gut, ein Lebenszeichen. Ich gehe weiter, möchte nicht als Eindringling gelten, in dieser verarmten Wohngegend. Aber ein Hund steht 20 Meter weiter, genau in meiner Laufrichtung. Dieser scheint nicht so zutraulich wie der süsse Husky-Mix vom Bahnhof. Er fixiert mich. Ich muss irgendwie da durch, lasse mich nicht einschüchtern, gehe langsam los. Vorsichtig drehe ich meine Schulter von ihm weg. Bellen, Lefzen, Raute eingeklemmt. Der hat doch genauso viel Schiss vor mir wie ich vor ihm. Mit einem grossen Bogen, von ihm abgewendet, passiere ich ihn. Das Bellen klingt nun eher ermunternd. Ja, lauf, Forrest, lauf. Ich bin vorbei, keine Bellen mehr, keine Tapsen von Pfoten, keine Schnaufen. Er ist weg, folgt mir nicht. Revier verteidigt. Geschafft. Von weitem kann ich diese alte, russische Lokomotive wieder sehen, die wohl als Museumsobjekt gedacht ist.

Ich bin in Port Baikal. „Auf“ Port Baikal, drängt sich mir auf, aber es ist keine Insel. Port Baikal ist heute noch ein wichtiger Bahnhof für die Baikalbahn eine Bahnlinie, die um den ganzen Baikalsee führt. Früher war es eine äusserst wichtige Station der Trans-Sibirischen Eisenbahn. Seit diese den See anderweitig umfährt, hat die Wichtigkeit dieses Bahnhofs aber stark abgenommen. So sieht es hier leider auch aus. Zerfallen, vergessen, am aussterben. Oder zum Glück vom Standpunkt des Touristen und Fotografen in mir. Die Sujets sind dadurch doch umso interessanter.

Knapp hatte ich es noch zur Fähre geschafft. Naiv wie ich bin, war ich zum Hafen im Zentrum von Listvyanka gelaufen. Um 11:15 ging die Fähre. Es war knapp 10:30 Uhr und ich hatte eigentlich genug Zeit um mich zurechtzufinden. Eine englische Durchsage aus dem Informationszentrum verleitet mich nachzufragen: „Da (ja), Port Baikal ferry eleven fifteen. We here,“ (zeigt auf einer mit Kaffeeflecken bekleckerten Karte), „Ferry here, 4 kilometers. Good luck“. Ha ha, „good luck“. Ich habe noch 40 Minuten. Ok, das kann ich schaffen. Ich denke, die Anlegestelle ist beim Museum, und das sind meines Wissens nur 2 1/2, maximal 3km. Ich könnte einen dieser Kleinbusse anhalten und ein Stück mitfahren. Aber ich entscheide mich für eine nette Trainingseinheit. Jede Bewegung ist mir recht, nach dieser langen Zugfahrt. Auch wenn ich Gefahr laufe, die Fähre zu verpassen.

Pünktlich erreiche ich die Anlegestelle. Stolz suche ich nach einer Art „Konstanz – Meersburg“-Fähre, sehe aber nur eine verknautschte Mini-Fähre, auf der maximal 4 Wagen Platz haben. Das mit der Pünktlichkeit, habe ich auch etwas zu ernst genommen. Autos stehen noch ziellos herum, Leute, einen kleinen Transporter anschauend, diskutieren wohl, wie sie den und die Autos auf die Fähre bringen. Geht nicht – denke ich mir. einer steigt ein, lässt den Dieselmotor stinkig aufheulen, und rollt den Lieferwagen rückwärts auf die Fähre. Ladetüren werden aufgemacht und Möbelteile, sorgfältig in Filzdecken eingefasste Glasscheiben und ganze Fenstergarnituren werden an den Rand der Fähre gestellt, dem eigentlichen Passagierbereich. Das kümmert weiter niemanden. Platz für die paar Leute hat es allemal. Nun wird es interessant. Der Eisenboden der Fähre ist so nass und rutschig, ich wäre, von allen Anwesenden gründlich gemustert, selbst fast auf die Schnauze gefallen. Meine ultraleichten Trekkingschuhe sind im Gelände sehr trittsicher, glitschige Metallböden sind aber nicht ihre Stärke. Gut konnte ich mich schnell wieder auffangen. Der Lieferwagen hat auch seine Mühe, wieder an Land zu kommen. Die wartenden Autos können erst 10 Minuten nach der Möbelaktion auf die Fähre Rollen.

Die Überfahrt ist kurz, nur ein paar Minuten. Ein russisches Pärchen packt ihr Picknick aus. Ich beobachte den Mann, wie er ein Schnapsglas mit Vodka füllt. Vermutlich wurden Beeren darin eingelegt, da er einen rötlichen Farbstich hat. Dann taucht er seine Finger darin, hält das Glas über die Reling und spritzt mit den Finger den Vodka über den Wasser. Dieses Ritual soll die Geister des Baikalsee gnädig stimmen.

Er hat wohl gespürt, wie ich ihn beobachte und dreht sich zu mir. Lächelnd fragt er: „Drink?“. Natürlich! Er gibt mir ein frisches Glas, schüttet Vodka hinein, und weist mich an, den See auch zu segnen. Danach wird angestossen, und auf Ex getrunken. Fantastischer Vodka. Ich tippe auf Johannisbeeren. Nun bekomme ich sogar einen Teil seines Proviants in Form eines selbstgemachten Wurst–Käse-Sandwichs. Was für ein Geschmack. Beim verlassen der Fähre haben wir uns aus den Augen verloren. Ich suche die Gruppe um mich noch zu verabschieden, dann sehe ich den Mann, nach mir suchend. Was für eine schöne Geste. Wir winken uns zu. Noch so eine tolle Begegnung..

Die Hundebegegnung nun hinter mir, erkunde ich nun das Hafengebiet von Port Baikal. Mittlerweile hat es ein Dutzend Menschen auf den Strassen und Geleisen. Vermutlich ist nun die Mittagszeit vorbei.

Auch auf den verrosteten Transportschiffen, die hoffentlich nicht mehr als Seetüchtig gelten, leben Menschen. Wieder Hunde, die mich begleiten und mustern, aber nicht feindlich gesinnt sind. Schiffsschrauben liegen herum. Andere Maschinenteile, dich ich nicht benennen kann. Den grün überwachsenen Schienen folgend, lasse ich ein abgesperrtes Grundstück hinter mir. Hier hat man wieder direkten Zugang zum Wasser. Ich gehe bis zu den zwei Schiffsrümpfen vor, die noch knapp aus dem Wasser schauen. Ein beeindruckender Anblick. Weiter vorne stehen verrostende Bauwagen am Wasser und dahinter steht eine Plattform mit einer riesigen Satellitenschüssel darauf. Ich fühle mich wie in einem James Bond-Film. Der Eingang zum Hauptquartier des Bösewichts. Hier wende ich wieder, möchte zurück in die aktivere Hafengegend.

Zurück am Hafen, steht ein Volvo neuerer Bauart, eine Familie darin. Wartend. Und ich bin die einzige Attraktion. Sie beobachten mich, wie ich die zerfallende Gegend fotografiere. Später setze ich mich hin, müde. Geniesse den Ausblick auf diese abstrakte Gegend. Noch 2 Stunden bis zur Fähre, gem. Fahrplan, jedenfalls. Ich sehe aber bereits Aktivität auf der Fähre, die schon bereitsteht. Die Mannschaft, bestehend aus zwei Leuten, ist auch schon da. Das Auto bewegt sich, rollt langsam auf die Fähre. Ich schaue gespannt zu, gehe zum Personal, beobachte den Ladevorgang. „Listvyanka?“, frage ich. Die Frau macht nur eine Handbewegung: „rauf aufs Boot“. Vermutlich eine unplanmässige Privatfahrt für die Familie, die auf die andere Seite will. Ich zahle meine 49 Rubel (CHF 1.40), grüsse die Familie mit einem freundlichen Nicken und geniesse die Überfahrt.